Baurecht und Corona-Krise

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Durch die Maßnahmen der Bundesregierung aufgrund der Corona-Pandemie kann es auch zu Beeinträchtigungen im Ablauf von Bauverträgen kommen. Beeinträchtigungen können dadurch eintreten, dass

  • eine Verringerung des Personaleinsatzes gefordert wird (Abstand)
  • ausländische Baumitarbeiter nicht zur Verfügung stehen
  • Materiallieferungen verspätet sind.

Bei all diesen Problemen stellt sich die Frage, ob der Bauunternehmer als Auftragnehmer in Verzug gerät, wenn er wegen eingetretener Bauverzögerungen Zwischentermine oder Endtermine nicht einhalten kann. Nachfolgend geben wir einen kurzen Überblick über die Maßnahmen, welche zur Sicherung der eigenen Rechtsposition notwendig sein könnten:

1. Gemäß §6 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B kann ein Auftragnehmer eine Verlängerung von Ausführungsfristen verlangen, wenn Behinderungen durch Umstände verursacht werden, auf die er keinen Einfluss hat. Die Vorschrift lautet wie folgt:

„1. Ausführungsfristen werden verlängert, soweit die Behinderung verursacht ist

a) durch einen Umstand aus dem Risikobereich des Auftraggebers,

b) durch Streik oder eine von der Berufsvertretung der Arbeitgeber angeordnete Aussperrung im Betrieb des Auftragnehmers oder in einem unmittelbar für ihn arbeitenden Betrieb,

c) durch höhere Gewalt oder andere für den Auftragnehmer unabwendbare Umstände.“

Im Fall der Corona-Krise wird sich der Bauunternehmer und Auftragnehmer wohl auf „höhere Gewalt“ berufen können. Höhere Gewalt liegt dann vor, wenn ein von außen auf den Betrieb einwirkendes, außergewöhnliches Ereignis vorliegt, welches der Auftragnehmer nicht vorhersehen und dementsprechend auch nicht abwenden kann. Darüber hinaus darf dieses Ereignis nicht so häufig aufgetreten sein, dass es möglicherweise als Betriebsrisiko mit einkalkuliert werden muss. Wenn man diese Grundsätze berücksichtigt, dann ist die akute Corona-Pandemie als höhere Gewalt zu bewerten.

Daraus folgt, dass der Auftragnehmer behindert ist.

2. Was muss der Auftragnehmer beachten?

a)  §6 Abs. 3 VOB/B fordert von dem Auftragnehmer, dass er alles tun muss, was ihm zuzumuten ist, um die Weiterführung der Arbeiten zu ermöglichen. Sobald die hindernden Umstände wegfallen, hat er ohne weiteres und unverzüglich die Arbeiten wieder aufzunehmen und dies dem Auftraggeber mitzuteilen. Das bedeutet im konkreten Fall, dass bei einer tatsächlichen Behinderung durch die Corona-Pandemie der Auftragnehmer dokumentieren soll, dass es ihm nicht möglich war, die Arbeiten vertragsgemäß auszuführen. Dazu gehören zum Beispiel

  • Nachweise, dass Bauarbeiter nicht von etwa anderen Baustellen umgeleitet werden konnten;
  • dass keine Leiharbeiter für ausfallende ausländische Arbeiter beschafft werden konnten;
  • dass keine Doppelschichten möglich sind.

b) Selbstverständlich darf der Auftragnehmer nicht vergessen, eine

ordentliche Behinderungsanzeige

auszubringen. Die Behinderungsanzeige muss sämtliche Tatsachen beinhalten, aus denen sich für den Auftraggeber mit ausreichender Klarheit die Gründe der Behinderung ergeben. Es reicht deshalb nicht aus, wenn in der Behinderungsanzeige nur auf die Corona-Krise verwiesen wird. Der Auftragnehmer muss sich schon die Mühe machen und im Einzelnen beschreiben, in welchen Bereichen und in welchem Umfang er keine Leistungen ausführen bzw. nur mit halber Kraft arbeiten kann. Konkrete Angaben sind somit erforderlich. Das wäre zum Beispiel, wenn ein Subunternehmer mit ausländischen Mitarbeitern (Bewehrungsarbeiten) nicht arbeiten kann, weil etwa seine Mitarbeiter nicht einreisen können oder unter Quarantäne stehen. Das wäre ebenso, wenn wichtige Materialien aufgrund von Unterbrechungen in der Lieferkette fehlen würden.

Fazit:

Je konkreter die Behinderung dargestellt wird, desto besser. Sollte die Behinderung in dem zeitweisen Wegfall des Subunternehmers bestehen, ist es wichtig, den Subunternehmer anzuhalten, seinerseits eine ausreichend begründete Behinderungsanzeige zu machen.

3. Vertragsstrafen

Wenn die vorgenannten Grundsätze beachtet werden, kann eine mögliche im Vertrag vereinbarte Vertragsstrafe verhindert werden. Das Verwirken der Vertragsstrafe setzt immer ein Verschulden des Auftragnehmers voraus. Wenn er aber ordnungsgemäß dokumentiert hat, dass er für die Verzögerungen wegen „höherer Gewalt“ nicht verantwortlich ist, dann kann ihm auch kein Verschulden vorgeworfen werden. Das gleiche gilt für Ansprüche auf Schadensersatz.

4. Zwischenabrechnung

Wenn die Ausführung von Bauarbeiten für eine voraussichtlich längere Dauer unterbrochen wird, ohne dass die Leistung dauerhaft unmöglich wird, ist an § 6 Abs. 5 VOB/B zu denken. Nach dieser Vorschrift besteht das Recht, die bisher erbrachten Leistungen nach den Vertragspreisen abzurechnen und außerdem die Erstattung von Kosten zu verlangen, welche dem Auftragnehmer bereits entstanden sind und in den Vertragspreisen des nicht ausgeführten Teils der Leistung enthalten sind. Was bedeutet das?

  • Die Abrechnung von bereits ausgeführten Leistungen nach den Vertragspreisen (Einheitspreisen) ist kein Problem.
  • Die weitere Alternative dieser Vorschrift bedeutet, dass die Kosten für Materialbeschaffungen oder anteilige Baustelleneinrichtungen auch für solche Leistungen berechnet werden können, die aufgrund der Unterbrechung noch nicht ausgeführt werden können.

5. Vertragskündigung

Sollte sich die aktuelle Lage verschlechtern und sollte möglicherweise Baustellen länger als drei Monate unterbrochen werden, kann sogar eine Kündigung des Vertrages nach
§ 6 Ziffer VII VOB/B erklärt werden. Eine solche Kündigung kann jeder der Vertragspartner erklären. Dann ist nach den Grundsätzen von gekündigten Bauverträgen abzurechnen. Das macht bei Einheitspreisverträgen keine Probleme, da bisher erbrachte Leistungen aufgemessen werden müssen. Bei Pauschalverträgen sind die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze für die Abrechnung vorzeitig beendeter Pauschalverträge zu beachten (Urkalkulation etc.).

6. Stillstandskosten

Stillstandskosten wird der Unternehmer nicht verlangen können, denn der Auftraggeber hat eine solche Unterbrechung aufgrund der oben aufgeführten Auswirkungen der Corona-Pandemie genauso wenig zu vertreten, wie der Auftragnehmer.

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Dr. Armin Rossbach

Rechtsanwalt Dr. Rossbach ist Partner seit 1980. Er ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht und zugleich Schlichter- und Schiedsrichter in diesen Rechtsgebieten. Seit 2005 ist er Vorsitzender des Vorprüfungsausschusses „Bau- und Architektenrecht“ der Rechtsanwaltskammern Koblenz / Zweibrücken.

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