Verkehrsrecht - Der gute alte Blitzer hat Vorfahrt …

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… denn das Verwaltungsgericht Hannover hat gestern dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (Az. 7 B 850/19) sowie einer Klage (Az. 7 A 849/19) stattgegeben, mit denen der Antragsteller und Kläger begehrte, dass das Land Niedersachsen es unterlässt, Geschwindigkeitskontrollen hinsichtlich der von ihm geführten Fahrzeuge mittels der Anlage „Section Control" auf der B 6 in Laatzen zwischen den Anschlussstellen Gleidingen und Laatzen durchzuführen.

Gegen die Entscheidungen kann das Land Niedersachsen bezüglich der einstweiligen Anordnung in die Beschwerde gehen, zudem hat die Kammer im Klageverfahren die Berufung zugelassen.

Das Gericht weist auf folgendes hin:

Da durch das Messsystem alle Kennzeichen im überwachten Abschnitt beim Einfahren und Aus-fahren in diesen erfasst werden, bedarf es nach Ansicht des Gerichts – sowohl für den Treffer als auch für den Nichttrefferfall – einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, auch wenn die Kennzeichen im Nichttrefferfall umgehend gelöscht werden.

Allein mit der Erfassung der Kennzeichen wird in das verfassungsrechtlich garantierte informationelle Selbstbestimmungsrecht eingegriffen, stellte die Kammer fest. Für einen solchen Eingriff bedarf es stets – auch ungeachtet der jeweiligen Schwere des Eingriffs – einer gesetzlichen Grundlage; dass „Section Control" sich noch im Probebetrieb befindet, ändert hieran nichts. Dies folge auch aus dem jüngsten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Dezember 2018 zur automatisierten Kraftfahrzeugkennzeichenkontrolle zum Abgleich mit dem Fahndungsbestand. 

An einer solchen gesetzlichen Grundlage fehlt es derzeit in Niedersachsen: Dies zeigt sich nicht zuletzt darin, dass im Niedersächsischen Landtag ein entsprechender Gesetzentwurf zur Änderung des Niedersächsischen Polizeirechts (LT-Drs. 18/850) eingebracht ist, in dem mit § 32 Abs. 8 NPOG-E eine Rechtsgrundlage geschaffen werden soll. 

Offen ließ die Kammer, ob eine solche Rechtsgrundlage in die Gesetzgebungskompetenz des Landes Niedersachsen fällt oder der Bundesgesetzgeber tätig werden müsste. Sie stellte fest, dass jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt weder auf Bundes- noch auf Landesgesetzesebene eine Ermächtigungsgrundlage existiert. 

Der Antragsteller und Kläger muss einen Eingriff in seine Rechte auch nicht während eines Probebetriebes von „Section Control" hinnehmen. Aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem Gewaltenteilungsgrundsatz folgt, dass die Exekutive nicht so handeln darf, als hätte der Gesetzgeber sie hierzu schon ermächtigt. 

Der Staat ist auch nicht zwingend auf „Section Control" angewiesen: Er kann die Verkehrsüberwachung bis zur Schaffung einer Rechtsgrundlage auch auf andere Weise durchführen. 

Was bedeutet dies im Alltag ?

Auch wenn die Messstelle mit dem neuen Messverfahren zunächst außer Betrieb genommen werden muss, wird dies vermutlich nicht die letzte gerichtliche Entscheidung in dieser Sache sein:

Zum einen bleibt abzuwarten, ob in den beiden Verfahren Rechtsmittel eingelegt werden, um die Rechtslage vor einer speziellen gesetzlichen Regelung in § 32 Nr. 8 NPOG-E abschließend zu klären und die Anlage ggf. bis zu dessen Inkrafttreten wieder in Betrieb nehmen zu können.

Zum anderen bleibt die Frage auch nach einem möglichen Inkrafttreten der geplanten Regelung im NPOG-E offen, ob der niedersächsische Landesgesetzgeber überhaupt die Gesetzgebungs-kompetenz für eine solche Norm hat oder eine solche Regelung durch den Bundesgesetzgeber erfolgen müsste.

Es bleibt also – mal wieder – spannend …

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Michael Proca

Rechtsanwalt Michael Proca ist seit Januar 2008 in unserer Kanzlei tätig, seit 2009 ist er Partner der Sozietät. Als Fachanwalt für Verkehrsrecht ist er Ihr Ansprechpartner sowohl in zivil- als auch straf- und bußgeldrechtlichen Angelegenheiten rund um den Straßenverkehr.

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